Mittwoch, 22. Februar 2017

Glaube oder Liebe



Nicht erst seit Martin Luther, schon seit Thomas von Aquin ist der Begriff «Glaube» der meistgeführte, wenn es  um die Nachfolge Jesu und vor allem auch um die Rechtfertigung geht. So gesehen ist die Nachfolge eine recht einfache Sache, wenn es nur darum geht, an Jesus zu glauben. Oft wird mit Apg. 16. 31 argumentiert, wo es heisst «Sie aber sprachen: Glaube an den Herrn Jesus, so wirst du gerettet werden, du und dein Haus!»

Was aber für ein gewaltiges Wirken Gottes diesem einfachen Satz vorangegangen war, wird dann selten miteinbezogen. Glauben ist eben nicht einfach Glauben. Paulus und Silas waren im Gefängnis. Trotz ihrer unbequemen und ungewissen Lage, ihre Füsse waren zudem noch im Block
eingeschlossen, wirkte der Geist Gottes derart, dass sie Gott lobten im Gebet und Gesang. Dann, auf einmal, entstand ein Erdbeben, das ja wohl nicht  zufällig war. Das Beben war so stark, dass die Grundfesten erzittterten, aber dem Gebäude doch keinen Schaden zufügte, ausser dass es alle Türen öffnete und sich Wandhalterungen, an welche die Insassen gebunden waren, lösten. Nun erwachte der Kerkermeister und nicht nur das Gebäude bebte, sondern auch dessen Herz. Sein Schock sass tief und sah den einzigen Ausweg aus seiner miesslichen Lage darin, seinem Leben ein Ende zu setzen um der grausamen Folter zu entgehen, welche auf ihn wartete, wenn die Gefangenen entflohen.

Paulus aber, der das Wirken Gottes ja nicht zum ersten Mal erlebte, richtete den Kerkermeister mit ruhiger Stimme auf und sagte, sie seien ja noch alle hier. Der Gefängniswärter war nicht allein und schickte einen anderen, um Licht zu holen. In diesem Moment verstand er wohl die Welt nicht mehr. Warum alles in der Welt fliehen sie nicht? Wird er sich gefragt haben, aber in seinem Schockzustand fand er wohl keine Antwort. Nur das eine irritierte ihn: die ruhige Stimme von Paulus.

Im Vers 29 lesen wir einen zweideutigen Satz. Zum einen ist er weltlich, also materiell zu vertshen, zum andern aber geistig: «Da forderte er ein Licht, sprang hinein und fiel zitternd vor Paulus und Silas nieder.» In diesem Moment war es wohl das weltliche Licht, eine Kerze in der Sturmlaterne, die er haben wollte, aber wir lesen in diesem Satz, dass er wohl schon früher nach dem geistigen Licht gesucht hatte. Als nun «das Licht», nicht die Kerze, sondern Paulus, da war, da fiel er zitternd vor ihnen nieder.

Mit diesem Niederfallen hat er sich selbst die Antwort schon gegeben, bevor er die Frage stellte: «Was muss ich tun, um gerrettet zu werden?» Die Antwort, die er sich selber gegeben hat ist: Das Licht ergreifen! Die Antwort von Paulus, die uns überliefert wurde, lautete: «...Glaube an den Herrn Jesus, so wirst du gerettet werden ...».

Warum ich diese Geschichte erzähle? Um das Wesen des «Glaubens» besser erkennen zu können.

Wir sehen an dieser Geschichte, dass «Glaube» etwas anderes ist, als was man heute in unserer Wohlstandgesellschaaft gemeinhin annimmt. Dem einen genügt der Glaube, wenn auf der Steuererklärung «kath» oder «ref» steht,( damit die Kirchensteuer ans richtige Ort überwiesen wird). Der andere sagt, «Ich glaube, dass Jesus für meine Sünden gestorben ist» und damit täglich unters Kreuz geht um täglich wieder errettet zu werden. Aber ist das der Glaube, den Paulus meinte, als er dem Kerkermeister diese Antwort gab? Ich glaube nicht.

Paulus hat nicht Glauben gehabt und hat nicht nur vom Glauben gesprochen. Paulus hat Glauben gelebt und hat Glauben bezeugt mit seinen Taten, mit seinem Sein.
Hätte irgend ein Gefängnisbesucher diese Antwort im Vorbeigehen dem Kerkermeister gegeben, wäre dieser wohl unberührt geblieben. Paulus aber war für seine Überzeugung eingekerkert worden und hat es wohl widerspruchslos über sich ergehen lassen, dass seine Füsse eingeblockt wurden, seine Hände waren wohl eh an der Wandhalterung festmontiert worden. Konnte sich also nicht kratzen, wenn das Ungeziefer ihn pausenlos belästigt hatte.

Nein, er fluchte und schimpfte nicht, sondern sie sangen Loblieder. Sie taten das, wie es ihnen im Herzen zumute war. Das Himmelreich ist in uns und mit dem Himmelreich Christus, Gott  und alle Engel des Himmmels. Diese Engel hatten ein Lobpreisfest in Paulus’ Himmel und so wurde die Seele, der Geist und auch der Leib Pauli davon ergriffen. Dieser Geist bewegte natürlich auch die Umgebung und so wurde der Kerkermeister erweckt. Das war der gelebte Glaube von Paulus, es war das stete Bewusstsein der Gegenwart Christi.

War es aber wirklich der Glaube? Wie wird Glaube definniert?

Wickipedia:

Das deutsche Wort Glaube wird in dem hier behandelten Sinn verwendet als Übersetzung des griechischen Substantivs pistis mit der Grundbedeutung „Treue, Vertrauen“. Das zugehörige Verb lautet pisteuein („treu sein, vertrauen“). Ursprünglich gemeint war also: „Ich verlasse mich auf ..., ich binde meine Existenz an ..., ich bin treu zu ...“. Das Wort zielt demnach auf Vertrauen, Gehorsam (vergleiche: Gelöbnis, Verlöbnis), Treue.

Wenn wir jetzt weiter fragen,  wie kann der Glaube gestärkt werden oder wie kann der Glaube so stark werdeen, dass er ein ganzes Bergmassiv versetzen kann? Dann kommen wir mit dem obigen Definitionsversuch nicht sehr weit. Wenn wir das «ich verlasse mich auf ...» bis zum höchst erdenklichen Mass anwenden, dann ist der Glaube immer noch weit vom Bergeversetzen entfernt.

Ein solches «sich auf Gott verlassen» ist zum Beispiel dem Pastor Jamie Coots nicht gut bekommen. Er hat für seinen Glaubensbeweis Schlangen mit in seinen Gottesdienst genommen und sich dabei auf Gott verlassen. Nun, da soll mir einer sagen, dieser Pastor hätte keinen Glauben! Nicht nur Glauben, sondern auch Glaubensmut, da war nichts von Kleinglauben! Aber leider hat ihm dieser starke Glaube nichts genützt. Eine Schlange hat ihn gebissen und er ist sofort daran gestorben.

Also, wie wir sehen, hat es mit dieser Definition des Glaubens seine geweisten Wege. Wenn man den Glauben beweisen will, dann ist man auf dem falschen Pfad, denn Glauben muss man nicht beweisen. Der Glaube muss sich selbst bezeugen.

Wie ist es aber, wenn die Religion lehrt, dass der Glaube allein gerecht macht vor Gott und man sich darauf verlässt? Wenn man so lebt wie man immer gelebt hat und einfach sagt, man «glaube»? Wenn die Doktrin der Religion derart einleuchtet klingt, dass man gar nicht anders kann, als sich darauf zu verlassen? Ich denke, mit dem Glauben-allein könnte es sogar sehr gefährlich werden, wie der Pastor Coots und seine Gemeinde erfahren musste.

Also wollen wir auf Nummer Sicher gehen und uns überlegen, was denn eigentlich «Glaube» ist und auf welche Weise dieser «Glaube» auch stets weiter gestärkt werden kann.

Die Lösung finden wir im Markus 8. 35:

«Denn wer seine Seeele retten will, der wird sie verlieren; wer aber seine Seele verliert um meinetwillen und um des Evangeliums willen, der wird sie retten”

Darin begründet sich der wahre Glaube: sein (weltliches) Leben verlieren um Seinetwillen.

Das weltliche Leben verlieren um Seinetwillen ist nur durch die Liebe möglich. Es ist die Liebe zu Gottt und gleichzeitig das Verleugnen seiner selbst. Wenn diese Liebe nicht gegeben ist, ist aller Glaube nur heisse Luft.

Wenn Jesus sagt um meinetwillen und um des Evangeliums willen, so heisst das, die uneingeschränkte Liebe zu Gott und die Liebe zur Wahrheit, denn das Evangelium ist die Wahrheit. Die Liebe zu Gott findet man nicht im Prayer, in den emotionalen Gospelgesängen sondern im Verleugnen des weltlichen Lebens mit allen seinen Begierden und Leidenschaften. Somit sind das auch die Voraussetzungen für den Glauben.

In obiger Aussage Jesu gibt es noch einen interessanten Hinweis. Es steht «der wird sie retten», also der wird die Seele retten. Wer rettet nun die Seele? Jesus oder der, welcher sich verleugnet?  Die Antwort ist klar: Du errettest Deine Seele, wenn Du Dich verleugnest. Dazu hat Jesus am Kreuz alle Voraussetzungen geschaffen, aber die Rettung Deiner Seele liegt bei Dir selbst!

Und das funktioniert nur, wenn Du eben diese Liebe zu Gott und zur Wahrheit auch leben willst. Genau so, wie es Paulus gemacht hat. Er hat alles hinter sich gelassen, seinen Weg nach Damaskus hat er zwar fortgesetzt, aber den inneren Weg, seine innere Gesinnung hat er verlassen.

Vielleicht sagst Du jetzt, das wäre wohl leicht, wenn man ein solches Erlebnis wie Paulus gehabt hat. Aber dem ist nicht so. Paulus hatte schon vorher als Christen verfolgender Pharisäer Gott geliebt. Er dachte, mit seiner Verfolgung für Gott etwas Gutes zu tun und hat sozusagen die Interessen Gottes vertreten. Aus dieser innigen Liebe resultiert dann das Erlebnis auf dem Weg nach Damaskus. Und so hat sich die Liebe zu Gott – zu Jesus Christus also - stets verstärkt und diese Liebe war dann der Glaube.

Würde man im Neuen Testament an etlichen Stellen das Wort «Glaube» mit dem Wort «Liebe» ersetzen,  dann würde auch das Evangelium klarer ud verständlicher. Luther hättte dann sagen müssen,

«nur durch die Liebe allein sind wir gerechtfertigt vor Gott»

und das Evangelium bekäme ein ganz anderes Gesicht.

Nun steht aber in der Heiligen Schrift nicht «Liebe», sondern «Glaube». Warum wohl? Hat das einen besondern Grund?

Ja, ich denke schon. Gott tut nichts ohne Seine tiefsten Gründe. Zum einen will uns Gott dazu erziehen, dass wir nicht alles «glauben», ohne es zu verstehen. Er will, dass wir verstehen, was da geschrieben steht. Er will, dass wir die Zusammenhänge erkennen können und das geht nicht ohne nachzudenken. Wir sollen über die Wahrheit nachdenken, wir sollen forschen – was ja das eigentliche Bestreben des eignen Geistes ist: das Erforschen der Tiefe der Gottheit. Und mit diesem Forschen auch die Entsprechungen erkennen wie eben im vorliegenden Beispiel, wenn wir erkennen, dass der Glaube eine Folge der Liebe ist. Das Wort Gottes ist Geist. Und nur im Geist, also durch das Forschen des Geistes, kommen wir zu dem Licht, das der Kerkermeister angefordert hat. So erkennen wir in den materiellen Erzählungen und Berichte desr Bibel die eigentliche Geistige Botschaft. Diese wahre Liebe zur Wahrheit, errettet schlussendlich Deine Seele.

Nachtrag:

Nachdem ich diesen Aufsatz bereits hochgeladen habe, kommt mir folgende Aussage Luthers unter die Augen. Ich wollte wirklich nicht schon wieder unseren armen Freund aus Sachsen belästigen, aber den wirklich unübertroffenen Unsinn, den er von sich gegeben hat, läuft mir bereits lästigerweise nach. Lies selbst:

"So nun jemand meinet, dass er darum Vergebung der Sünde will erlangen, dass er die Liebe hat, der schmähet und schändet Christus, und wird am letzten Ende, wenn er vor Gottes Gericht stehen soll, finden, dass solches Vertrauen vergeblich ist. Darum ist es gewiss, dass allein der Glaube gerecht macht." (Aus den bis heute verbindlichen evangelisch-lutherischen Bekenntnisschriften, Apologie IV.151, zit. nach Die Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche, herausgegeben im Gedenkjahr der Augsburgischen Konfession 1930, 9. Auflage, Göttingen 1982, S. 189) 



Wie immer ist der Austausch über das Thema im Forum  offen und auch Gäste können sich einbringen, können ergänzen oder ihrer kritischen Haltung freien Lauf lassen. Kritische und gegenteilige Meinungen ergeben bei uns keine "Streit"gespräche, sondern sind eine Bereicherung! Wer will, kann auch Fragen stellen. Der erste Beitragsschreiber soll bitte das Thema mit dem Aufsatztitel eröffnen.



Jesus segne Dich!