Mittwoch, 21. Dezember 2016

Gibt es den Weihnachtsmann?

In einer amerikanischen Zeitung ist kaum je ein Leitartikel von solch zeitloser Gültigkeit erschienen wie der, den Frank Church, Chefredakteur der New York Sun, 1897 schrieb.

Er trug die Überschrift: Gibt es den Weihnachtsmann?

21. September 1897
Es ist uns eine Freude, prompt und an so prominenter Stelle den folgenden Brief zu beantworten. Damit geben wir zugleich unserer Dankbarkeit Ausdruck, die Verfasserin dieses Briefes zu den Freunden der Sun zählen zu dürfen:


An die Redaktion:
Ich bin acht Jahre alt. Manche von meinen Freundinnen behaupten, daß es keinen
Weihnachtsmann gibt. Papa meint: >Wenn etwas in der Sun steht, dann ist es wahr.<
Sagen Sie mir also bitte die Wahrheit: Gibt es den Weihnachtsmann?
Virginia O'Manlon
115 West 95th Street




"Virginia, deine kleinen Freundinnen irren sich. Sie haben sich vom Skeptizismus eines skeptischen Zeitalters anstecken lassen. Sie glauben nur, was sie sehen. Sie glauben, es könne nur das geben, was sie mit ihrem kleinen Verstand zu begreifen in der Lage sind. Doch der menschliche Verstand, Virginia, ist immer klein, ganz gleich, ob es sich um den Verstand eines Erwachsenen oder um den eines Kindes handelt. In diesem gewaltigen Universum zählt der Verstand des Menschen nicht mehr als der eines Insekts, einer Ameise, verglichen mit der grenzenlosen Welt um uns und mit der Intelligenz, die nötig wäre, um die ganze Wahrheit und alles Wissen zu erfassen.

Ja, Virginia, es gibt den Weihnachtsmann. Er existiert so sicher, wie Liebe, Großzügigkeit und Treue existieren. Und du weißt, daß es sie gibt und daß sie dein Leben sehr schön und fröhlich machen.

0 weh! Wie trübselig wäre doch die Welt, wenn es keinen Weihnachtsmann gäbe! Sie wäre genauso trübselig, wie wenn es keine Virginias gäbe. Dann gäbe es keinen kindlichen Glauben, keine Poesie, keine Phantasie, um unser Dasein erträglich zu machen. Dann fänden wir Freude nur noch an dem, was wir mit unseren eigenen Augen sehen können. Das ewige Licht, mit dem die Kindheit die Welt erfüllt, wäre ausgelöscht.

Nicht an den Weihnachtsmann glauben! Ebenso gut könntest du nicht an Feen glauben!
Du könntest deinen Papa überreden, Männer anzuheuern, die am Weihnachtsabend an allen Schornsteinen aufpassen, um den Weihnachtsmann zu erwischen. Doch selbst wenn sie ihn nicht durch den Kamin kommen sähen, was wäre damit denn schon bewiesen? Niemand sieht den Weihnachtsmann, aber das ist kein Beweis dafür, daß es ihn nicht gibt. Die Dinge, die in dieser Welt am wirklichsten sind, sind solche, die weder von Kindern noch von Erwachsenen gesehen werden können. Hast du jemals Feen auf dem Rasen tanzen sehen? Natürlich nicht, aber das ist kein Beweis dafür, daß es sie nicht gibt.
Niemand weiß, wie viele Wunder auf dieser Welt noch nie geschaut wurden oder für unsere Augen unsichtbar sind.

Du reißt eine Babyrassel auseinander, um herauszufinden, was das Geräusch darin verursacht. Aber es gibt einen Schleier, der die unsichtbare Welt vor unseren Augen verbirgt, und diesen Schleier kann nicht einmal der stärkste Mann der Welt zerreißen. Nur Glaube, Phantasie, Poesie und Liebe können diesen Vorhang zur Seite schieben und uns ein Bild der übernatürlichen Schönheit und Pracht dahinter vermitteln. Ist das alles wirklich? Ach, Virginia, nichts auf dieser Welt ist wirklicher und beständiger.

Kein Weihnachtsmann! Unsinn. Gott sei Dank gibt es ihn und wird es ihn immer geben.
Auch in tausend Jahren, Virginia, ach was, in zehnmal zehntausend Jahren wird er immer
noch die Herzen der Kinder erfreuen.

FRANCIS PHARCELLUS CHURCH, 1897
"


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Mögen wir alle uns wieder auf diesen kindlichen Glauben besinnen. Wie heisst es doch in der Bergpredigt? "Selig sind die geistlich arm sind, denn iherer ist das Himmelreich!"

Ich wünsche Euch allen ein fröhliches und vor allem besinnliches Weihnachtsfest im Kreise der Lieben. Jesus segne Euch alle!

Hans Künzle