Mittwoch, 7. Dezember 2016

Der Glaube – Mittel oder Zweck?


Dieser Aufsatz macht den Anfang der Aufsatzreihe "Zwei Wege zum Heil"1, als eBook konzipiert und dient sozusagen als als meinen Beitrag zur Feierlichkeit des Reformationsjubiläums.

Seit jeher ist es dem Menschen ein Bedürfnis, zu erfahren, was mit ihm nach dem Tod geschehen wird. Die meisten ahnten/ahnen, dass es weiter geht und sind daher mit der Frage beschäftigt, "was kann ich tun, damit es mir gut gehen wird, damit ich in den Himmel komme". In der Zeit der Lehrjahre Jesu bekam diese Frage besondere Aktualität, weil viele jener Zeitgenossen instinktiv wussten, dass Jesus ein kompetenter Lehrer für solche Angelegenheiten war. Zwei Personen fragten, nach biblischer Überlieferung, Jesus auch ganz direkt, "was muss ich tun, um in den Himmel zu kommen?"

Wäre Jesus evangelisch gewesen
und hätte Paulus gelesen, dann hätte Er die einzig richtige Anwort geben können: "Dein Glaube allein wird dich vor Gott gerecht machen" (Gerechtigkeit vor Gott = Einssein mit Gott). Da Jesus aber offensichtlich den Römerbrief nicht studiert hat, gab er dem ersten die Antwort: "Halte alle Gebote!" und dem Zweiten: "so du nicht von Neuem geboren wirst, wirst du nicht ins Himmelreich kommen."

Sollte jetzt jemand der Meinung sein, ich wolle den guten alten Paulus verhöhnen, dann befände er sich auf dem Holzweg, da Paulus sich darob nicht betroffen fühlen würde, denn er selbst behauptete nie, dass der Glaube allein Gerechtigkeit wäre vor Gott. Er sagte "durch den Glauben sind wir gerecht vor Gott". Es war dann Martin Luther, der lehrte "durch den Glauben allein sind wir gerecht vor Gott".

Des Menschen höchstes Ziel: Der Glaube?     

Durch dieses Glaube-allein setzt Luther dem Menschen ein Daseins-Ziel: der Glaube. Die Antwort auf die alte Frage nach den Bedingungen für das Eintreten in das Himmelreich ist also allein der Glaube. Wir werden dann später sehen, dass Luther sich selbst damit widerspricht, was er aber offenbar nicht bemerkt hat und Vollmer in seinem Römerbrief-Workshop ebenfalls nicht.

Alle Predigten, Vorträge und theologische Abhandlungen der Lutherischen Kirchen2 zielen genau darauf ab, den Gläubigen den Glauben als höchstes Lebensziel zu lehren. Als Grundlage dazu dient vor allem der Römerbrief. Interessanterweise erkennt kaum jemand, dass Paulus diese Glaubens-Erwähnung und die darauf folgenden "ohne Werke"-Aussagen in einem ganz anderen Zusammenhang erläuterte. Dieser Zusammenhang ist im Moment zu vernachlässigen, unser Fokus liegt am neuen Lebensziel "Glaube-allein".

Dieses Allein bedeutet der Ausschluss aller anderen Heilsbedingungen. Der Glaube-allein akzeptiert keine andere Kondition und sagt nichts weniger und nichts mehr als einfach nur "Glauben". Vollmer sagt ganz luthertreu: "Glaube ich an Jesus Christus und nehme seine Versöhnung an, ist Gott mein Vater und ich bin sein Kind ". Hat man den Glauben, dann ist das Himmelreich garantiert, hat man ihn nicht, dann ist die Hölle garantiert. So einfach ist das, weil es ja nichts dazwischen geben kann. Paulus selbst wusste hingegen nichts von einem solchen Lebensziel. 

Soweit also Martin Luther, der mit seiner Himmelsformel etwa 800 Milionen Menschen auf der ganzen Erde in den vermeintlichen Himmel buxiert. 800 Milionen Menschen, die Hoffnung auf den Himmel haben, einfach dadurch, dass sie glauben und die Sündenvergebeung annehmen. 

Des Menschen höchstes Ziel: die Verwandlung!

Was aber sagt Jesus dazu? Was sagte Jesus, was es braucht, um in den Himmel zu kommen? Die Antwort auf die berühmte Nikodemusfrage lautet: 

"Wahrlich, wahrlich, ich sage dir, wenn jemand nicht von neuem geboren wird, so kann er das Reich Gottes nicht sehen!" (Joh. 3. 3)

Wir sehen, Jesus gibt auf die selbe Frage eine ganz andere Antwort: Die Verwandlung. Eine Neugeburt, das Neu-Geboren-Werden oder wie man auch sagen kann, die geistige Wiedergeburt, die einen ganz neuen Menschen, ein neues Wesen, schafft. 

Klar, Luther hat eine eigene Erklärung, was die Wiedergeburt betrifft und diese wird auch heute auf allen Kontinenten gelehrt. Für Luther ist die Wiedergeburt die Bekehrung, bzw. die anschliessende Wasser-Taufe (darauf kommen wir noch!). Er setzt dort, wo es heissen sollte "wiedergezeugt" das Wort "wiedergeboren". Im Prinzip wäre es nicht falsch übersetzt, denn beide Ausdrücke heissen in der griechischen Sprache "genneo". Aber im Kontext ist "wiedergeboren" falsch, weil bevor geboren werden kann, muss gezeugt werden. Gemeint ist die Zeugung des Geistes (im Herzen), also der von Gott gegebene Menschengeist, der auch das eigentliche Ebenbild Gottes ist. Nach der Zeugung braucht es natürlicherweise eine gewisse Zeit der Reifung, der Erstarkung und des Wachsens, bis dieser Geist die Seele erfüllen  kann und Frucht bringt. Die Konkordanzbibel gibt es übrigens richtig wieder, sie spricht durchwegs von "wiedergezeugt".

Wenn also die Evangelikalen von sich behaupten, sie seinen wiedergeboren, so heisst das, dass sie (bzw. ihr Geist) wiedergezeugt sind. Und das ist jeder, der den Namen Jesus anruft. 

Nach dem Verständnis der Heiligen Schrift ist die Wiedergeburt aber das Ziel des Menschen auf dieser Erde, wenn sein Geist ausgereift ist. Wenn der alte Adam gestorben ist, wenn das Alte vergangen und alles neu geworden ist. Dabei genügt es nicht, dass nur das Denken neu geworden ist, wie es bei der Wiederzeugung (Bekehrung) geschieht.

Die Wiedergeburt ist in jeden Fall ein Geschenk Gottes. Es ist die Kraft Gottes in ihrem vollem Wirken. Schon im alten Testament prophezeite Gott durch Hesekiel

"Und ich will euch ein neues Herz und einen neuen Geist in euch geben und will das steinerne Herz aus eurem Fleische wegnehmen und euch ein fleischernes Herz geben; ich will meinen Geist in euch geben und will solche Leute aus euch machen, die in meinen Geboten wandeln und meine Rechte halten und darnach tun.… " (Hes. 36. 26)

Das neue Herz und den Geist Gottes im Herzen, das ist die Verwandlung, die Umwandlung, die volle Wiedergeburt, die Geistestaufe oder wie man das auch immer nennen will. Diese Verwandlung erlebten die Jünger an Pfingsten, sie geschah nach dreijähriger Vorbereitung  urplötzlich. Paulus erlebte diese Verwandlung auf der Strasse nach Damaskus und dauerte drei Tage. Bei uns kann es – wenn überhaupt - sogar Jahrzehnte dauern, bis der besagte Geist voll ausgereift ist. Wenn ich sage "... wenn überhaupt ...", dann meine ich, dass es bei den allermeisten Christen gar nie dazu kommt, weil sie nämlich der irrtümlichen Meinung sind, sie seien bereits wiedergeboren. Sie glauben, sie hätten das Ziel schon erreicht. Wer aber glaubt, das Ziel schon erreicht zu haben, der läuft nicht mehr!

Bedenken wir, was im obigen Zitat erwähnt wird: wer also das neue Herz empfangen hat, der wird (von selbst) in Gottes Geboten wandeln. Er fällt nicht mehr aus der Ordnung Gottes. Aber darüber werden wir uns noch unterhalten.

Wir wollen festhalten: Jesus spricht von einem ganz anderen Ziel für das Leben eines Menschen als Martin Luther. Nirgends spricht Jesus von Glauben allein. Nur die Umwandlung vom alten zum neuen Menschen zählt, und  nur wer diese Umwandlung erlebt hat, kann sich ein Gottes-Kind nennen. Wenn wir nun den Römerbrief unter dieser Prämisse lesen, dann lesen wir plötzlich etwas ganz neues! Die Kapitel 6 und 8 bekommen unerwartet einen ganz anderen Sinn!

Der natürliche und der geistige Christ

Der Glaubensmensch, also der Christ, der sein Heil auf den Glauben setzt findet sich im Römerbrief Kapitel 7 wieder, und kann sich mit der von Paulus beschriebenen Charakteristik voll identifizieren: "Denn ich weiß nicht, was ich tue. Denn ich tue nicht, was ich will; sondern, was ich hasse, das tue ich ... Denn ich habe Lust an Gottes Gesetz nach dem inwendigen Menschen. Ich sehe aber ein ander Gesetz in meinen Gliedern, das da widerstreitet dem Gesetz in meinem Gemüte und nimmt mich gefangen in der Sünde Gesetz, welches ist in meinen Gliedern". Da der nur auf den Glauben setzende Christ das Sündigen nicht lassen kann, solange er in diesem Fleisch lebt, sieht er sich täglich mit seinen verbliebenen Begierden und Leidenschaften konfrontiert. Deshalb nennt Paulus sie die fleischlichen Menschen, da die fleischlichen Begierden noch das Sagen haben. Somit sagt Klaus Vollmer in seinem Bibelkurs folgerichtig:

"Gott kommt zu uns in die Hölle, damit ich in der Hölle nicht mehr ohne Gott sei, damit ich niemehr in meiner Sünde ohne Ihn sein muss."

Und damit gibt Vollmer seinem Vordenker Luther recht, wenn dieser sagt: "Wir sind Sünder und Gerechte zugleich". Damit landen beide einen Volltreffer. Es gibt an diesen Aussagen nichts auszusetzen – sie gelten, aber sie gelten nur für die natürlichen, fleischlichen Christen, die ihr Heil im Glauben allein suchen und wegen des Ausbleibens der Umwandlung durch die Kraft Gottes, diese Kraft eben nicht erleben! Sie lesen zwar von dieser Kraft in der Bibel und übertragen diese Fakten dann auf sich, ungeachtet dessen, dass sie mit ihrem täglichen Leben gar nicht übereinstimmen.
Der geistige Christ, der sein Heil aber auf die Verwandlung, die Umwandlung setzt, der findet sich in den Kapiteln 6 und 8 des Römerbriefes wieder: "... dieweil wir wissen, daß unser alter Mensch samt ihm gekreuzigt ist, auf daß der sündliche Leib aufhöre, daß wir hinfort der Sünde nicht mehr dienen". Dieses Gekreuzigt-Sein ist eben nicht nur ein gedanklicher Vorgang, denn das wäre nur eine Illusion, ein Selbstbetrug. Dieses Gekreuzigt-Sein oder Mit-Jesus-Gestorben-Sein ist nichts anderes, als was wir schon im Hesekiel gelesen haben: "ich will meinen Geist in euch geben und will solche Leute aus euch machen, die in meinen Geboten wandeln". Diese Umwandlung ist ein Ereignis, das die Kraft Gottes bewirkt, welche real vorhanden ist!

Nun gibt es einen sagenhaft guten und einfachen Trick der Evangelikalen, also der grossen Bewegung der natürlichen und fleischlichen Christen-Lehre, wie sie ihre Schäfchen trotz der fleischlichen Begierden und den Sünden in den vermeintlichen Himmel schubsen. Aber davon später mehr. 

Fazit:

Es gibt zwei Wege. Die breite Strasse, die keine weiteren Anforderungen stellt als nur den Glauben allein und auf jedenfall ohne irgendwelche Werke. Auf diesem Weg darf weiter gesündigt werden, weil immer wieder ein Kreuz erscheint, wo man Busse tun kann. Dieser evangelische Weg ist allerdings eine perfide Sackgasse.

Der andere Weg, schmal, steil, dornig, ist überaus mühsam. Es sind wenige, sehr wenige (im Nano-Bereich) die ihn überhaupt finden und noch weniger, die ihn dann auch begehen. Jene, die ihn begehen werden von den ersteren ausgelacht. Vor allem auch deshalb, weil es auf diesem eh schon mühevollen Weg auch noch Selbstverleugnung zu üben gilt und niemandem erspart wird, daselbst noch ein Kreuz zu tragen, was es auf der breiten Strasse nicht, oder nur pro forma gibt.

Somit reden wir im Verlauf dieser Aufsatzreihe von natürlichen und von geistigen Christen. Auch auf die Gefahr hin, dass ich einem Zweiklassen-Christentum oder gar einem Elite-Denken bezichtigt werde. Wenn es jemandem gefällt, dies so zu sehen, dann soll er es so sehen. Wichtig ist nur, dass er sich dabei über seinen eigenen Stand Gedanken macht und die richtigen Schlüsse daraus zieht.

Fussnoten

1 Grundlage dieser Aufsatzreihe ist ein Workshop über den Römerbrief von Pastor Klaus Vollmer, Evangelist der EKD, den er vor 25 Jahren in Salzburg gehalten hat. Wobei die Tonträger dieser Bibelwoche unwesentlich sind, denn Vollmer wiederspiegelt ohne Abstriche die volle Lehre Luthers. Vollmer muss zugute gehalten werden, dass seine echte Liebe zu Jesus Christus sichtbar ist, als EKDler einer der wenigen "bekehrten" Pastoren. Trotz dieser Liebe zum Herrn ist es ihm jedoch nicht gelungen, die offensichtlichsten Irrtümer und Widersprüche zu erkennen und so hat er tragischerweise im guten Glauben dazu beigetragen, diese mit gewandter und einnehmender Rhetorik zu verbreiten.
2 Das galt bis anhin auch für die EKD. Da diese aber den christlichen Glauben und auch die Luther-Lehre verlassen und der Einheitsreligion Tür und Tor geöffnet hat, fällt sie ausserhalb meiner Betrachtung im vorliegenden und folgenden Aufsätzen. Gemeint sind also lediglich noch die lutherischen Freikirchen, soweit sie der EKD noch nicht folgen.




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Jesus segne Dich!