Mittwoch, 26. November 2014

Unio Mystica I


Wir haben uns nun sehr ausführlich mit dem (evang.) kirchlichen Glaubensweg befasst und haben festgestellt, dass die Lehre beinahe aller Kirchen (Denominationen), soweit sie auf der Rechtfertigungslehre Luthers basieren, voller Widersprüche und Irrungen sind. Ich rede hier ausschliesslich von der Lehre der Kirchen, vom Dogma und bin mir bewusst, dass es in diesen Kirchen unzählige Glaubensgeschwister gibt, welche ehrlich und aufrichtig der Wahrheit ergeben sind. In allen Kirchen gibt es Brüder und Schwestern, welchen Jesus Christus das Ein und Alles ist. Diese sind es, welche eine innige Beziehung zu unserem Erretter und Bruder haben. Doch wird leider diese Beziehung durch das strenge Dogma in engen Schranken gehalten, wie wir noch sehen werden.
Der Glaubensweg, oder die Glaubenspraxis, welche vor allem anderen genau diese innige Beziehung zu Jesus Christus zum Inhalt hat, ist die Christliche Mystik. Wir werden uns im Folgenden darüber unterhalten, was Christliche Mystik ist, was  die hauptsächlichsten Unterschiede zum lutherischen Kirchenglauben sind, welche Voraussetzungen man mitbringen sollte, um im Glauben und in der Entwicklung weiterzukommen und wo allenfalls die Gefahren lauern.


Was ist Christliche Mystik?

Zu allererst möchte ich darauf hinweisen, dass Mystik nicht einfach Mystik ist. Wer sich nicht mit diesem Thema eingehender befasst hat, für den gibt es wohl keine Unterschiede, denn Mystik heisst für ihn Gotteserfahrung in der Ekstase. Heute nennt man das esotherische Erfahrungen und davon distanzieren wir uns deutlich. Wenn wir über die Voraussetzungen und die Gefahren der Mystik sprechen, wird das Problem dann klarer.

Der wahre und aufrichtige Glaubensweg ist die Beziehung mit Christus in unserem Inneren, in unserem Herzen. Um Ihn dreht sich alles, Er ist der Mittelpunkt und der Mystiker erkennt nur mehr Ihn als Wirklichkeit und für ihn ist die Welt, die Materie und das Vergängliche eine Täuschung. Er weiss, dass er in dieser Welt nur ein Fremdling, fern der Heimat, als Einzelgänger und von der Mitwelt kaum akzeptiert aber meistens verkannt wird. Von seiner wahren Heimat zeugt sein Inneres, deshalb pflegt er vor alles sein Innenleben oder seine Innenlebenssphäre im Gegensatz der Weltmenschen, welche vor allem im Aussen oder in der Aussenlebenssphäre leben.

Für den Mystiker ist es das Wichtigste, dass er das stete Bewusstsein der Gegenwart Christi pflegt. Er liebt die ungestörte Stille und ist zu dieser Stille auch immer fähig, selbst wenn um ihn herum die heftigsten Stürme des Lebens toben.

Der Mystiker erkennt und erlebt, was seine kirchlichen Glaubensgeschwister in der Bibel lesen. Christus ist die Salbung und deshalb ist der Mystiker an der Quelle und hat es nicht nötig, dass ihn jemand lehre, denn er ist und wird von Gott gelehrt. Auch wenn das für die meisten als „zu fantastisch“ klingt, schert er sich nicht um solche Kritik, er begegnet dem Unverständnis mit seiner innewohnenden Liebe.

Der Mystiker erlebt die Nähe Christi und erfährt Seine tatsächliche Gegenwart durch Eingebungen, Visionen und Offenbarungen bei vollem Tagesbewusstsein. Diese Nähe Christi braucht keine Ekstase und keine Trance, denn wenn solches auftritt, dann läuft ziemlich sicher etwas schief.

Der Mystiker sehnt sich nach seinem höchsten Ziel, dem Einssein (unio) mit Christus. Der Weg dazu ist die Stille. Ich wiederhole den letzten Abschnitt der Seite „Stille“ dieser Homepage:

In der Stille können wir Christus erfahren. Wir erleben, dass Zeit und Raum schwindet und nur noch das Jetzt das einzig Wahre ist. Im Jetzt liegt die Ewigkeit. Ist Christus in uns, so ist im Jetzt die Liebe und das Leben für die Ewigkeit in uns. In der Stille werden wir uns immer mehr bewusst, mit Christus, dem Vater Eins zu sein. Christus erleben wir bald als über-heilig, über-mächtig, aber als Freund und als Bruder. Mit dem Einssein mit Ihm erben wir auch alles, was Christus und des Vaters ist. Das Licht und die Kraft, mit der er uns auf der Erde wirken lässt zur Verherrlichung Seines Namens in Seinem Willen. Das Eins sein mit Christus kann mit menschlichen Worten nicht beschrieben werden. Sind wir eins mit Ihm, brauchen wir auf dieser Welt nichts mehr, es fliehen uns dann alle Bedürfnisse, wir fragen nach nichts, weder von dieser Welt wie auch nach nichts im Himmel. Christus ist das Leben. Und es ist schon in uns. Werden wir uns dessen bewusst!

Alle alten Mystiker seit den Urchristen erlebten, dass Gott (Christus) nicht ausserhalb von uns, sondern innen in uns lebt. Augustinus (354 bis 430) sagt uns das mit folgenden Worten:

„Wie aber soll ich anrufen ihn, meinen Gott und Herrn? Denn zu mir hinein rufe ich ihn ja, wenn ich ihn anrufe. Wie heißt die Stätte, dahin mein Gott komme zu mir, wohin der Gott komme zu mir, der Himmel und Erde gemacht hat? So ist also, Herr mein Gott, etwas in mir, das dich zu fassen vermag? Fassen dich denn Himmel und Erde, die du gemacht hast und in deren Bereich du mich geschaffen? Oder faßt dich deshalb alles, weil ohne dich nicht wäre, was ist? Da nun auch ich bin, was bitte ich dich denn, in mich zu kommen, der ich nicht wäre, wenn du nicht wärst in mir? Denn noch bin ich nicht im Reiche des Todes, und doch bist du dort. Denn bettete ich mich auch in die Hölle, siehe, so bist du auch da. Ein Nichts wäre ich, mein Gott, wäre überhaupt nicht vorhanden, wenn du nicht wärest in mir. Oder ich wäre vielmehr nicht, wenn ich nicht wäre in dir, von dem alles, durch den alles, in dem alles ist. Ja, so ist es, so ist es, o Herr. Wenn ich dich anrufe, wohin rufe ich dich, da ich ja bin in dir? Von wannen sollst du kommen zu mir? Wohin sollte ich wohl gehen über Erde und Himmel hinaus, daß von da käme zu mir mein Gott, der da gesprochen: Bin ich es nicht, der Himmel und Erde füllt?“

Unterschiede zum Luther-Evangelium

Der Glaubensweg oder die Glaubenspraxis der Mystiker und der Kirchen sind nicht nur unterschiedlich, sie könnten gegensätzlicher gar nicht sein!

Der Mystiker fragt nicht nach einer Rechtfertigung vor Gott, denn eine Rechtfertigung hat immer etwas mit einem Gesetz zu tun. Für ihn ist alles auf die Gnade ausgerichtet und er weiss, da Christus der wahre und erlebbare Freund und Bruder ist, dass weder Gesetz noch die Rechtfertigung von der Gotteskindschaft zeugt, sondern er erlebt und erfährt das täglich von Christus selbst.

Wie schon angesprochen, der Mystiker lebt sein Innenleben, den Kirchenchristen ist das von Luther jedoch strengstens verboten, ja mehr noch: alle diejenigen, welche „ ... so lehren, dass wir ohn das leiblich Wort des Evangelii (d.h. ohne durch die Predgt) den heiligen Geist durch eigene Bereitung (Heiligung), Gedanken (Meditation und Kontemplation) und Werk erlangen“ verdammt werden (CA Art. V). Noch heute wirkt dieser Fluch Luthers, denn Mystik, Meditation und Kontemplation ist das Rote Tuch für die lutherianische Theologie. Rudi Holzhauer z.B. schreibt in seinem Buch Verführungsprinzipien, von „Die mystische Erfahrung als okkultes Grenzphänomen“ und vermischt dabei alles fröhlich miteinander, die Christliche, die esotherische und die Buddhistische Mystik und kommt dann zum Schluss, dass Mystik eine verwerfliche Irrlehre ist. Allerdings muss man dabei sagen, dass es durchaus Gefahren gibt. Wir kommen noch darauf zurück.

Für den Lutherianer gilt: Sola scriptura, das heisst „nur die Bibel allein“. Würde man diese Worte Luthers ernst nehmen, so dürften logischerweie auch die Schriften Luthers (grosser und kleiner Katechismus und alle anderen) nicht gelesen werden. Die Lutherianer stellen sich noch heute auf den Standpunkt, dass alle Wahrheiten in der Bibel stehen und dass wir „weitergehende Informationen“ der Göttlichen Wahrheit nicht bedürfen.

Der Mystiker liest zwar auch in der Heiligen Schrift und erkennt, dass sie Gottes Wort ist. Aber er weiss auch, dass Jesus vor Seiner Auffahrt versprochen hat, dass Er den Heiligen Geist aussenden wird, der uns in alle Wahrheit führen wird. Johannes stellte fest, dass die Salbung uns alles lehrt und wir nicht bedürfen, von Menschen gelehrt zu werden.

Hier sehen wir den Kernpunkt: Das Kirchendogma ist ein äusseres Evangelium, den Heiligen Geist erhält der Gläubige nur von aussen, also durch die Predigt oder durch das Bibelstudium. Die Bibel allein enthält die Wahrheit – und diese wird nur durch die Aussenlebenssphäre vermittelt.

Der Mystiker aber kennt das innere Evangelium, weil es durch die Eingabe im Herzen erkannt wird. Die Lehre, welche durch die Predigt vermittelt wird, ist sogar äusserst gefährlich, weil jeder Prediger das Evangelium nur subjektiv vermitteln kann, wie die vielfältigen und auseinander gehenden Lehrmeinungen der evangelischen Theologie zur Genüge beweist. Chritus im Herzen aber lehrt das wahre Evangelium und ist nicht an die sinnlichen Genüsse der Sonntagmorgen-Events gebunden. So denkt der Kirchenchrist mit dem Kopf, der Mytiker mit dem Herzen.

Die Mission, also das Weitergeben des Evangeliums ist ebenso gegensätzlich. Die Kirchen organisieren die Mission mit riesigem Ideenreichtum, mit grossen finanziellen Ressourcen und durch extra ausgebildete Evangelisten. Der Mystiker aber ist still und gibt das Evangelium ohne Worte weiter! Er lebt das Evangelium und wenn er gefragt wird, " „... was muss ich tun, ich möchte so sein wie du! ...“, dann ist für ihn der Moment gekommen, Zeugnis zu geben.

Das Sinnen und Trachten der Kirchenchristen ist nach aussen gerichtet. Beinahe jeder Kirchenchrist hat einen Fernseher zu Hause stehen. Er interessiert sich für das, was um ihn herum und in der Welt draussen passiert, er verfolgt in der Regel auch das Sportgeschehen wie das Wirtschaftsleben und kann dieses Interesse auch mühelos mit der Bibel begründen.

Der Mystiker erträgt solche materielle Störungen nicht. Er liebt Gott aus ganzem (nicht geteiltem) Herzen, ganzer (nicht geteilter) Seele und mit seinem ganzen (nicht geteilten) Denken und sinnt über sein Wort Tag und Nacht. So ist er wie ein Baum, am Wasserbach gepflanzt, der seine Frucht bringt zu seiner Zeit.

Die Befriedigung der Bedürfnisse ist ein weiterer Punkt, in welchem sich die Wege der Kirchenchristen und jene der Mystiker unterscheiden. Al Weckert hat eine umfassende Bedürfnisliste zusammengestellt, die vorwiegend für den unreligiösen Weltmenschen Gültigkeit hat. Nun ist es interessant, inwieweit diese Liste auch für die frommen Weltmenschen gilt, wie nun jedermann selber feststellen kann:

AUTONOMIE

Freiheit, Selbstbestimmung

KÖRPERLICHE BEDÜRFNISSE

Luft, Wasser, Bewegung, Nahrung, Schlaf, Distanz, Unterkunft, Wärme, Gesundheit, Heilung, Kraft, Lebenserhaltung

INTEGRITÄT / STIMMIGKEIT MIT SICH SELBST

Authentizität, Einklang, Eindeutigkeit, Übereinstimmung mit eigenen Werten, Identität, Individualität

SICHERHEIT

Schutz, Übersicht, Klarheit, Abgrenzung, Privatsphäre, Struktur

EINFÜHLUNG

Empathie, Verständnis (i. S. von verstanden = “gesehen“ werden), Gleichbehandlung, Gerechtigkeit

VERBINDUNG

Wertschätzung, Nähe, Zugehörigkeit, Liebe, Intimität/Sexualität, Unterstützung, Ehrlichkeit, Gemeinschaft, Geborgenheit, Respekt, Kontakt, Akzeptanz, Austausch, Offenheit, Vertrauen, Anerkennung, Freundschaft, Achtsamkeit, Aufmerksamkeit, Toleranz, Zusammenarbeit

ENTSPANNUNG

Erholung, Ausruhen, Spiel, Leichtigkeit, Ruhe

GEISTIGE BEDÜRFNISSE
Harmonie, Inspiration, „Ordnung“, (innerer) Friede, Freude, Humor, Abwechslungsreichtum, Ausgewogenheit, Glück, Ästhetik

ENTWICKLUNG

Beitrag, Wachstum, Anerkennung, Feedback, Rückmeldung, Erfolg im Sinne von Gelingen, Kreativität, Sinn, Bedeutung, Effektivität, Kompetenz, Lernen, Feiern, Trauern, Bildung, Engagement

Alle, oder mindestens die meisten dieser Bedürfnisse sind beinahe bei allen „normalen“ Menschen anzutreffen, ob sie nun im kirchlichen Sinne gläubig oder wiedergeboren sind. Für sie bedeutet es „das Leben“, diese Bedürfnisse zu befriedigen, so gut es eben geht. Sie sagen sich, dass diese Bedürfnisse von Gott gegeben sind und daher es auch rechtens sei, so lange wie wir in diesem menschlichen Leibe verweilen, darauf einzugehen.

Anders ist es beim Mystiker. Er weiss, dass die allermeisten Bedürfnisse aus dem unerlösten Seelenleib und von den ungegorenen (unausgereiften) und gerichteten Naturgeister im fleischlichen Leib stammen. Damit nun auch diese Geister vom Geist Gottes durchstrahlt werden können, versucht der Mystiker stets mehr und mehr diese noch unreinen Geister zu dominieren, indem er deren Drängen nicht nachgibt. Damit erfüllt er auch die Bedingungen in der Heiligen Schrift, wenn etwa Johannes schreibt, man soll die Welt nicht liebhaben oder Paulus von den fleischlichen Lüsten oder der fleischlichen Gesinnung warnt.

Wir sehen, die Liste der Unterschiede, beziehungsweie der Gegensätze vom lutherischen Rechtfertigungsglauben und dem Glaubensweg der Mystiker ist lang.Und es gibt noch mehr und wichtige Unterschiede, wie die Themen Offenbarungen, Leiden oder Lehre/Dogma zeigen, auf welche wir am nächsten Mittwoch noch näher eingehen werden
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ZZum Teil 2

Jesus segne Dich!




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